Zwischenschritte...

...können fotografiert werden, das Bild ist trotzdem weg...

 

 

Anmerkung zu Reproduktionen

zum BilderindexWer glaubt, daß ein Foto auch nur annähernd ein Bild "richtig" wieder gibt, hat sich weder mit Malerei noch mit Fotografie auseinander gesetzt.

Leider gilt das auch für "Profis". Früher (ich war seit 10 Jahren nicht mehr da) wurden z.B. Tafelbilder Stefan Lochners (ca. 1400-1450 ???) im Wallraff-Richartz-Museum bei vollem elektrischem Licht ausgestellt. Die Bilder waren für Kirchen bestimmt, sie wurden lasierend für einen halb dunklen Raum gemalt, sehr wahrscheinlich in einer Werkstatt, in der die Lichtverhältnisse durch teilweises Abhängen der Fenster nachgestellt wurden. Im Kunstlicht sind diese Bilder bunt und eventuell sogar "poppig", im dämmrigen Licht einer Kirche werden die Bilder jedoch harmonisch und leuchten farbig im Dunkeln.

Was im künstlichen "Naturlicht" des W-R-Museum bunt ist, war nie so gemeint.

Seit der Restaurierung der Sixtinischen Kapelle machen Fotos "poppiger" Michelangelo-Fresken die Runde, aufgenommen mit Fotoscheinwerfern nach Abtragen der "Schmutzschicht". Die Restaurierung wurde u.a. von einem japanischen Fernsehsender bezahlt, der dann sensationelle Bilder bunter Fresken Michelangelos brachte. Von der Notwendigkeit einer Neubewertung Michelangelos wurde geredet, sogar, daß er mit seiner Farbigkeit ein Vorläufer der Poppart wäre.

Auf die Idee, daß diese Bilder im Dunkel beim Schein von Kerzen und Fackeln gemalt und daß sie dann später auch im Dämmerlicht betrachtet wurden, kam scheinbar keiner der Experten, die die Filme und Fotos machten. Sie schwärmten von der Entdeckung eines "bunten, neuen" Michelangelos.

Wie auch immer, Fotos von Bildern geben diese nur andeutungsweise wieder. Das gilt erst recht für Bilder, die am Bildschirm betrachtet werden. Denn nahezu jeder Bildschirm ist anders eingestellt, selbst mit hardwarekalibrierte Monitore zeigen nur Näherungen der echten Farbwerte.

Jeder Drucker oder Grafiker, der für den Bildschirm oder den Druck arbeitet, weiss dies (und läßt sich deshalb die Proofs vom Kunden unterschreiben). Selbst Drucke auf der selben Maschine und dem gleichen Papier sehen an verschiedenen Tagen anders aus. Die Druckqualität hängt von u.a. von Papier- und Luftfeuchtigkeit ab, kleinste Änderungen an den Maschineneinstellungen erzeugen sichtbar unterschiedliche Druckergebnisse.

Hinzu kommt, daß der Farbraum von Drucken und Bildern auf Bildschirmen nur ein Bruchteil der möglichen Farben ist. Bei 4- oder selbst 6-farb Drucken (die übliche noch "bezahlbare" Variante), sind z.B. die meisten hellen Blau- oder kräftigen Orangetöne nicht druckbar. Das Grün in den HTML Segment Kästchen der obigen Grafik sind im Grunde nur mit einer Sonderfarbe wiederzugeben. Und Gemälde sind voller "Sonderfarben".

Bei meiner Tante hing Anfang der 70ger ein Kunstdruck von einem Modigliani Portrait. Ich fand das Bild schlimm und hatte in Folge eine ausgesprochene Abneigung gegen Modigliani. Bis ich Originale in einem Museum sah. Die Reproduktion hatte mit den Originalen nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Bilder, besonders Ölbilder, sind zu allem Überfluß auch noch räumliche Gebilde. Ölfarbe hat Struktur, Ölbilder deshalb ein Oberflächenrelief, das durch Reflexionen und Schattenbildungen nicht unwesentlich zum Eindruck des Bildes beiträgt. Und diese Effekte sind kaum fotografierbar,denn der Fotoapparat hat eine festen Standpunkt während ein Betrachter sich permanent bewegt und die Blickrichtung ändert (s. Anmerkung unten).

Durch die Allgegenwart der Fotografie, von Fotos bekannter Bilder, hat sich trotzdem die Vorstellung durchgesetzt, mit den Fotos kenne man die Originale. Und die Vorstellung hält sich hartnäckig, auch unter "Experten". Trotzdem ist sie von Grund auf falsch.

Ich habe deshalb lange überlegt, ob ich überhaupt Fotos meiner Bilder ins Netz stelle. Denn wer die hier sieht, denkt sich vielleicht, jetzt habe er sie gesehen und damit gut so. Ich tue es, aber mit GROSSEM VORBEHALT, nur aus dem Grund, daß die Bilder sonst sehr wahrscheinlich eben gar nicht gesehen würden. Die meisten Besucher hier werden sowieso von mir auf die Seiten verwiesen (wenn das bei Ihnen nicht der Fall ist, schicken Sie mir eine kurze Nachricht, wie Sie auf die Seiten gekommen sind?).

 

 

 

Übrigens ein Argument, warum "richtig" konstruierte Perspektiven nicht auf jeden "natürlich" wirkten, besonders in Zeiten, in denen man noch nicht durch Fotos an die "statischen" "konstruierten" Perspektiven gewöhnt war. Eine Reaktion der vor-fotografischen Maler war das Nutzen vieler verschiedener Fluchpunkte und Perspektiven für einzelne Bildobjekte und -partien, obwohl die Perspektivgesetze bekannt waren (weil richtig auf einzelne Bildteile angewandt). David Hockney hat sich übrigens ausführlich mit dem Thema beschäftigt, siehe z.B. die Arbeit "Pearblossom Highway", ein Bild einer Wüstenstrasse, zusammengesetzt aus hunderten einzelnen Detailfotos des selben Ortes.

 

 

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